Zukunft(s)-Pflege!

was sich ändern muss!

12 Strategien für eine Highroad zur Pflege in Deutschland

Ein möglicher Ausweg aus der Dauerkrise

verfasst von:

Pflege in Bewegung e.V.
Postfach 1126
65440 Kelsterbach
Tel.: 07843-99588-0
Fax.: 07843-99588-199
www.pflegeinbewegung.de

aktualisierte Fassung April 2019

Ausgangspunkt:

Das deutsche Pflegesystem steckt, so wie es aktuell besteht, in einer Krise und ist gescheitert.


Pflegebedürftige, deren Angehörige und Pflegekräfte aus allen Fachgebieten, sind mit dem bisherigen System schlecht beraten und nicht auf die Zukunft vorbereitet.

Das Teilkasko-Prinzip der Pflegeversicherung ist ebenso gescheitert, wie die bisherige Form der Refinanzierung der Kliniken.
Daran ändern auch die Pflegestärkungsgesetze nicht wirklich etwas und auch das Krankenhausstrukturgesetz ist hier nur bedingt hilfreich. 


Die daraus resultierenden Entlastungen sind nur marginal und nicht nachhaltig.
Wir benötigen eine nachhaltige Strategie, einen echten Systemwechsel, der perspektivisch „gute Pflege für alle“ ermöglicht!

Im Folgenden finden Sie aus der Pflegepraxis entwickelte Lösungswege, die wir sehr breit diskutieren wollen und werden.

Pflege geht (früher oder später) jeden etwas an!


Es kann nur Pflegegruppen und Partei übergreifende Lösungswege für eine menschenwürdige und bessere Pflege, Betreuung und Versorgung geben!

 

12 Strategien für eine Highroad zur Zukunfts-Pflege in

Deutschland:

 

1. Bundesweit einheitlich definierte Pflegequalität

2. Bundesweit einheitliche Personalbemessung

3. Bundesweit einheitliche und durchlässige 

Ausbildung und Akademisierung von Pflegefachpersonen

4. Bundesweit einheitliches, transparentes Pflegeleistungs-und Bewilligungs-Management

5. Bundesweit geregelte vorbehaltliche Tätigkeiten für Pflegefachkräfte

6. Patientensicherheit, Verbraucherschutz und Fehlerkultur

7. Bundesweite und eigenständige Selbstverwaltung für
Pflege(fach)kräfte

8. Eine zeitgemäße Ausweitung der pflegerischen Versorgung im Quartier und Aufhebung

 der Grenzen zwischen ambulanter und stationärer Pflege

9. Bundesweit verbindliche Vergütung der an der Pflege-und Betreuung beteiligten Personen und Berufsgruppen

10. Zeitgemäßes und einheitliche Strategie-Papier zur Integration und Befähigung von Flüchtlingen

11. Zeitgemäße, entbürokratisierte und bundesweit einheitliche Qualitäts-Kontrollen der geforderten Qualität

12. Pflege-Re-Finanzierungsgesetz

 

 

1. Bundesweit einheitlich definierte Pflegequalität

  • Der Leitsatz lautet hier: "Das wollen wir an Qualität und das wird sie uns kosten!“

  • Pflegequalität darf nur noch im Zusammenhang mit refinanzierten Personalschlüsseln festgelegt werden.

  • Definition nach Festlegung eines verbesserten Personalschlüssels und Reform der Refinanzierung von Pflegeleistungen, unter Einbeziehung von Bedürftigen und Angehörigen, Pflegepersonal und Einrichtungsbetreibern.

 

2. Bundesweit einheitliche Personalbemessung

  • Zeitnah deutlich verbesserte Pflegepersonalschlüssel für Kliniken, ambulante Pflegedienste und stationäre Pflegeeinrichtungen.

  • Einführung eines bundesweit einheitlichen Personalbemessungs-Systems für alle pflegerischen Bereiche unter Berücksichtigung der festgelegten, geforderten und refinanzierten Pflegequalität.

Im Zuge dieser einheitlichen Personalbemessung und eines einheitlichen Tarifvertrages könnte auch auf die sehr aufwendigen Pflegesatzverhandlungen verzichtet werden. Es könnten zumindest regional einheitliche Pflegesätze für alle Einrichtungen festgelegt werden.

 

 

3. Bundesweit einheitliche und durchlässige Ausbildung und Akademisierung
von Pflegefachpersonen

  • Das bisherige Ausbildungssystem der Pflegeberufe hatte in seinem spezifischen Ansatz auch große Vorteile, die der aktuelle Generalistik-Entwurf der Bundesregierung nicht angemessen berücksichtigt.

  • Wir befürworten einen integrativen, durchlässigen und generalistischen Ansatz, der letztlich eine verlängerte Ausbildungszeit beinhaltet, um die bisherigen Inhalte der speziellen Fachrichtungen zu berücksichtigen.

  • Stärkung der praktischen Ausbildung durch vom Fallpauschalen-System unabhängig finanzierten Anleiterstellen und festgelegte Mindestzeiten für die Anleitung der Auszubildenden.

  • Bundesweit einheitliche und transparente Anforderungen an, und Zugangsvoraussetzungen für Leitungskräfte in Krankenhäusern und Altenhilfe-Einrichtungen im Quartier.

 

 

4. Bundesweit einheitliches, transparentes Pflegeleistungs-und
Bewilligungsmanagement

  • professionelles und unbürokratisches Verordnungsmanagement.

  • schlanke Abrechnungsmodalitäten.

  • faire „Bewilligungsvereinbarungen“ und faire „Refinanzierungszusagen“.

  • Sanktionierungsmaßnahmen gegen Kostenträger, die gegen die vereinbarten Regelungen verstoßen (Ablehnung darf sich nicht lohnen).

  • transparente Bewilligungsverfahren/Ablehnungen von Leistungen für Bedürftige.

  • barrierefreie Bearbeitung der Versorgungsanträge.

  • praxisnahe und qualitative Versorgungsnetzwerke mit Hilfsmitteln und vor allem verlässlichen Zulieferern.

 

 

5. Bundesweit geregelte vorbehaltliche Tätigkeiten für Pflegefachkräfte

  • Die Zuweisung vorbehaltener Tätigkeiten dient der Stärkung des Berufsbildes und sichert eine klare Abgrenzung vorbehaltlicher Pflegetätigkeiten von den angrenzenden Berufsfeldern des Pflegebereiches (Ärzte, Betreuung, Hauswirtschaft, Therapeuten).

Dies wären im Einzelnen:

  • Erhebung und Feststellung des individuellen Pflegebedarfes und die Planung der Pflege

  • Organisation, Gestaltung und Steuerung des Pflegeprozesses

  • Durchführung der Pflege und Dokumentation der angewandten Maßnahmen

  • Analyse, Evaluation, Sicherung und Entwicklung der Qualität der Pflege

  • Bedarfserhebung und Durchführung präventiver und gesundheitsfördernder Maßnahmen

  • Beratung, Anleitung und Unterstützung von zu pflegenden Menschen und deren Angehörigen

  • Verordnung von Pflegehilfsmitteln

 

 

6. Patientensicherheit, Verbraucherschutz und Fehlerkultur

  • Die Pflegeberufe sind in den letzten 15 Jahren zunehmend zu einer haftungsrechtlichen Tätigkeit mit Absicherungscharakter geworden, d. h. die Dokumentation dient Kostenträgern zunehmend als Argumentationsgrundlage für das Gewähren von Leistungen oder für Regressansprüche gegenüber Dritten z.B. durch den Nachweis von Organisationsverschulden, wenn nicht adäquat dokumentiert wurde.

 

  • Die Tatsache, dass Fehler – vor allem im Hinblick auf die zunehmende Arbeitsdichte-passieren können und der bürokratische Aufwand für die Absicherung einen Zeitaufwand benötigt, der sich nicht wirklich in den ausgehandelten Personalschlüssel wiederfindet, wurde nahezu außen vor gelassen. Vor allen Dingen wird der notwendige Schritt der Qualitätssicherung, die Anpassung der Personalschlüssel, nicht durchgeführt.

  • Wenn etwas passiert wird letztlich ein Schuldiger ausfindig gemacht, damit man belegen kann, dass sich gekümmert wird. Das trifft abwechselnd die Einrichtungsträger, die Leitungen vor Ort oder die einzelne Fachkraft.

  • Für Betroffene und Angehörige lässt sich eine Fehlleistung nur äußerst schwer belegen und meist zieht sich ein solcher Prozess jahrelang hin, um schließlich irgendwo zu versanden.

  • Wir fordern deshalb eine intensive, ehrliche und transparente Auseinandersetzung mit dem Thema Gesundheitsschutz für Beschäftigte und praxisnahe Gefährdungsanalysen, um eine zeitgemäße Fehlerkultur zu entwickeln.

 

 

7. Bundesweite und eigenständige Selbstverwaltung für Pflege(fach)kräfte

  • Die Pflegeberufe müssen selbst bestimmen, was Pflege und Betreuung ist, was zu ihrer professionellen Ausgestaltung unabdingbar ist und dies ab sofort auch selbst definieren.

  • Ebenso wie andere Berufsgruppen, sollten auch die Mitglieder der größten Berufsgruppe im Gesundheitswesen ihre fachlichen und ethischen Standards selbst festlegen.

  • Die Selbstverwaltung der professionellen Pflege im Gesundheitswesen ist seit Jahren ein wichtiges, gefordertes und nachhaltig lohnenswertes Ziel (was auch am Beispiel anderer Berufsgruppen deutlich wird – z.B. Psychotherapeutenkammer, Ärztekammer).

 

8. Zeitgemäße Ausweitung der pflegerischen Versorgung im Quartier und
Aufhebung der sinnlosen Trennung zwischen ambulanter und stationärer
Pflege

  • Einrichtung von vollständig refinanzierten Nachtbereitschaften im Quartier, die in der Nacht auftretenden Hilfebedarf innerhalb einer gesetzten Zeit bedienen können.

  • Einrichtung von Kurzzeitpflegeeinheiten in den Quartieren. Diese müssen sehr gut refinanziert sein und mit Leerhaltegebühren für Betten immer eine Nachversorgung aus dem Krankenhaus übernehmen können. Gleiches gilt bei plötzlichem Ausfall eines Angehörigen

  • Lohnersatzleistungen für pflegende Angehörige innerhalb der Erwerbstätigkeitsphase.

  • Strenge Reglementierung von "Live-Ins" auf bestimmte und notwendige Bedarfssituationen, die durch bestehende Angebote nicht abgedeckt werden können (aus pflegefachlicher Sicht sind wirklich notwendige 24-Stunden Settings eher die Ausnahme als die Regel). Dann allerdings unter deutlich veränderten Rahmenbedingungen, die den Regelungen und Ansprüchen des ersten Arbeitsmarktes genügen und deren Einhaltung auch streng kontrolliert werden muss.

  • Einrichtung von regelmäßigen Quartierskonferenzen mit dem Ziel, Bedarfe aufzuzeigen und an die entsprechenden Stellen weiterzuleiten. Auch hier muss den Pflegekräften eine entscheidende Mitsprache eingeräumt werden. Ausgangspunkt muss hier immer der Bedarf vor Ort sein.

  • Bündelung der gesamten ehrenamtlichen Strukturen im Quartier, nicht bei Anbietern oder Verbänden. Das kostbare Gut des Ehrenamtes wird zum jetzigen Zeitpunkt häufig durch Doppelstrukturen verschwendet.

 

 

9. Bundesweit verbindliche Vergütung der an der Pflege-und Betreuung
beteiligten Personen und Berufsgruppen

  • Bundesweit einheitlicher „Branchentarifvertrag Pflege“ mit deutlich verbessertem Gehaltsniveau aller pflegerischen Berufsgruppen.

  • Als Einstiegsgehalt ist ein Betrag von mindestens 3.500 Euro für Pflegefachkräfte zzgl. Zuschlägen anzusetzen.

  • Bei den Zuschlägen ist das steuerfreie Niveau für Feiertags- und Nachtarbeit auszuschöpfen.

 

 

10. Zeitgemäßes und einheitliches Strategie-Papier zur Integration und
Befähigung von Menschen mit Migrationshintergrund

  • So lange die Situation in der Pflegepraxis für das Personal und die Azubis derart unzureichend ist, brauchen wir uns nicht wirklich Hoffnungen zu machen, dass wir es schaffen, geflüchtete Menschen adäquat und menschenwürdig in diesen Beruf zu integrieren!

  • Echte und nachhaltige Integration und Qualifikation von Geflüchteten und anderen Menschen mit Migrationshintergrund ist und bleibt eine alternativlose Aufgabe und Herausforderung.

  • Lohndumping und Ausbeutung sollten hier vorneherein vom Gesetzgeber ausgeschlossen werden!

 

 

11. Zeitgemäße, entbürokratisierte und bundesweit einheitliche Kontrollen der geforderten Qualität und Alterskultur

  • Medizinischer Dienst und Heimaufsicht sind zu einer einheitlichen und bundesweit tätigen Prüfbehörde zusammenzufassen, keinesfalls bei den Kostenträgern angesiedelt sein darf.

  • Wenn Pflegemängel auftreten, so geschieht das nicht selten auch in Einrichtungen mit Defiziten bei der Führung. Es sollte ein besonderer Schwerpunkt zukünftiger Prüfverfahren darauf gelegt werden, dass Eignung und Befähigung von Führungskräften ebenfalls bewertet werden.

  • Wir verweisen auf „Alterskultur statt Pflegenoten“ des Nikodemus-Werkes.

 

 

12. Pflege-Re-Finanzierungsgesetz

  • Wir fordern eine Umwandlung des Solidaritätsbeitrages in eine „Demografieabgabe“! Es ist nicht sonderlich vorrauschauend alleine die Lohnnebenkosten mit den steigenden Kosten für Pflege und Betreuung zu belasten. Der demografische Wandel stellt die größte Herausforderung für den sozialen und gesellschaftlichen Zusammenhalt der nächsten Jahrzehnte dar.

  • Zeitgleich fordern wir eine Begrenzung von Unternehmensgewinnen für den Betrieb von Pflegeeinrichtungen bei 5% des Umsatzes. Dieser Zuschlag ist Form eines Ausgleichs des unternehmerischen Risikos am Ende des Jahres auf den Umsatz zu zahlen. Hiermit kann eine Gewinnmaximierung auf Kosten der Leistungsqualität vermieden werden.

 

Unser Fazit: Das Teilkaskoprinzip der Pflegeversicherung ist – heute

schon – ungeeignet und nicht zukunftstauglich, um eine hochwertige

pflegerische Versorgung sicherzustellen!

 

Stand April 2019